VBEW-Positionen zur Wasserkraft
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1. Wasserkraft als heimische Energiequelle unverzichtbarer Teil des
bayerischen Stromerzeugungsmixes in der Energiewende
Die Wasserkraft als wichtigste erneuerbare Stromquelle trägt mit etwa 14 Prozent zur Deckung des nutzbaren Stromverbrauches in Bayern bei. Sie ist derzeit nach der Kernenergie Bayerns zweitgrößter Stromerzeuger. Zunehmend kann Bayern seinen Strombedarf nicht mehr durch eigene bayerische Kraftwerke decken. Es bleibt aber das Ziel der Bayerischen Staatsregierung, auch nach dem Abschalten der Kernkraftwerke möglichst viel Strom in heimischen Kraftwerken verbrauchsnah zu erzeugen. Vor dem Hintergrund, dass der Freistaat über keine nennenswerten eigenen fossilen Energieträger verfügt, der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung bis 2025 auf 70 % steigen soll und die Kohleverstromung zudem bundesweit bis spätestens 2038 zu beenden ist, kommt der Wasserkraftnutzung für unsere Volkswirtschaft eine zentrale Bedeutung zu.
In der Gebietskulisse Wasserkraft des Bayerischen Wirtschaftsministeriums wird von einem Ausbaupotential von rund 1 Mrd. kWh/a ausgegangen. Dies kann nur realisiert werden, wenn eine Änderung des Markt- und Förderdesigns durch den Gesetzgeber erfolgt, die Investitionen in den Wasserkraftausbau wieder wirtschaftlich werden lassen.
Die aktuellen Entwicklungen zur Schaffung von besseren Rahmenbedingungen zum Ausbau der Stromerzeugung aus Wasserkraft stimmen uns dazu aber nicht zuversichtlich. Fortlaufend zunehmende Anforderungen wie beispielsweise an die Höhe von Mindestwasserabgaben und Dotationsmengen von Fischaufstiegsanlagen gefährden massiv die Ziele der Bayerischen Staatsregierung. Ohne signifikante Veränderungen in der grundsätzlichen Ausrichtung sowie in Detailaspekten ist zu erwarten, dass die entstehende Minderproduktion aufgrund der Realisierung von Durchgängigkeitsmaßnahmen an bestehenden Wasserkraftwerken durch deren Neubau, Modernisierung und Nachrüstung noch nicht einmal ausgeglichen werden kann. D. h., es ist sogar zu befürchten, dass zukünftig in der Summe weniger Strom aus Wasserkraft als bisher erzeugt wird.
Die Wasserkraft ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Energiemixes und hat darüber hinaus verschiedene Zusatznutzen für die Gesellschaft, die im Folgenden aufgezeigt werden.
2. Wasserkraft als optimaler erneuerbarer Energieträger
Die Wasserkraft hat gegenüber anderen erneuerbaren Energien erhebliche energiewirtschaftliche Vorteile. Sie ist in der Lage, je nach eingesetzter Technik und Anforderung, effizient Grund- und Spitzenlast zur Verfügung zu stellen. Sie ist kontinuierlich verfügbar, gut prognostizierbar und sehr gut regelbar.
Die steigende Stromerzeugung aus der witterungs-, jahreszeit- und tageszeitabhängigen Photovoltaik und Windkraft erfordert den verstärkten Einsatz von Energietechniken, die sicherstellen, dass die benötigte Elektrizität weiterhin bedarfsgerecht zur Verfügung steht. Wasserkraft erfüllt in besonderer Weise diese grundlegende energiewirtschaftliche Anforderung. Sie hilft den zunehmenden Regel- und Speicherbedarf durch Pumpspeicher- und Speicherkraftwerke bereitzustellen. Wasserkraft ist derzeit die einzige marktfähige Technologie, um Strom im großtechnischen Maßstab speichern zu können. Sie erfüllt damit bestmöglich die energiepolitischen Zielsetzungen einer sicheren, nachhaltigen und qualitativ hochwertigen Energieversorgung auf Grundlage erneuerbarer Energien.
3. Wasserkraft bedeutet Umweltschutz
Die Wasserkraft als erneuerbare und umweltfreundliche Energiequelle leistet einen großen Beitrag zu einer ressourcenschonenden und CO2-armen Stromerzeugung. Sie ist zur Einhaltung der Klimaschutzziele unverzichtbar. Strom aus Wasserkraft vermeidet jährlich in Bayern rund 10 Mio. t CO2 gegenüber einer Erzeugung aus Kohle.
Der Staustufenbau verlangsamte die fortschreitende Eintiefung der bereits zuvor begradigten Gewässer deutlich und führte zu stabilen Mittelwasser- und Grundwasserverhältnissen. Die Anhebung des Grundwasserspiegels durch die Stauhaltungen ist an vielen Stellen der entscheidende Faktor für den Fortbestand naturschutzfachlich bedeutender Auwälder sowie von Feucht- und Moorgebieten. Auch die Trinkwassergewinnung profitiert von der Grundwasserspiegelanhebung.
Die durch die Wasserkraftnutzung bedingte morphologische Veränderung des Flusswasserkörpers hat zur Entwicklung neuer, ökologisch wertvoller Biotope und Habitate geführt. Viele Stauräume haben sich zu anerkannten und durch internationale Regelungen (Natura 2000, FFH, Ramsar-Konvention) geschützten Rückzugs-
gebieten bedrohter Tierarten entwickelt.
Wasserkraft und Umweltschutz lassen sich nicht nur in ausgewogener Weise in Übereinstimmung bringen – Wasserkraftnutzung ist Umweltschutz. Das gilt auch für Neuanlagen insbesondere an vorhandenen Querbauwerken.
4. Wasserkraft erfordert Investitionssicherheit
Wasserkraft ist kapitalintensiv und benötigt deshalb langfristige Investitionssicherheit sowie politisch stabile Rahmenbedingungen. Die Wasserkraftwerksbetreiber stellen sich den Herausforderungen des Wettbewerbs innerhalb eines liberalisierten Binnenmarktes in Europa. Grundsätzlich sollten sich alle Stromerzeugungsformen im technologieoffenen Wettbewerb am Markt messen lassen und nicht an Fördertöpfen „hängen“. Staatliche Zusatzlasten und administrative Hemmnisse dürfen die Wirtschaftlichkeit der Wasserkraftnutzung aber nicht gefährden.
Es dürfen z. B. keine Festlegungen in wasserrechtlichen Bescheiden getroffen werden, die die Betreiber zur entschädigungslosen Duldung von Wasserentnahmen verpflichten. Sie gefährden substantiell die für die Wasserkraftnutzung notwendige Investitionssicherheit. Solange sich am Strommarkt die Wertigkeit der Stromerzeugung aus Wasserkraft nicht angemessen abbildet, ist es zur Erschließung des zusätzlichen Strompotentials aus bestehenden Anlagen geboten, die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vorgegebene Förderschwelle bei Erhöhung des Leistungsvermögens von derzeit 10 % deutlich abzusenken. Dies gilt insbesondere für Anlagen mit einer installierten Leistung von größer 5 MW.
5. Wasserkraft übernimmt vielfältige Aufgaben für die Allgemeinheit
Die bayerischen Wasserkraftwerksbetreiber nehmen eine Vielzahl von Maßnahmen der allgemeinen Gewässerkunde und zum Gewässerunterhalt wahr. Sie sichern dauerhaft die Flussufer, erhöhen und verstärken vorhandene Uferschutzbauten und entfernen darüber hinaus kostenintensiv auch große Mengen (mehrere zehntausende Kubikmeter/Jahr) von Zivilisationsmüll aus den Flüssen.
In den früheren bayerischen Landesentwicklungsprogrammen wurde die Errichtung von Staustufen meist in Verbindung mit wasserwirtschaftlichen Aufgaben vorgenommen (z. B. Begrenzung fortschreitender Sohlenerosion, Ausbau von Wasserstraßen, Verbesserung des Hochwasserschutzes). Die großen Stauanlagen an den Gewässern 1. Ordnung sind in der Regel Teil einer Flusssanierung und heute integraler Bestandteil des staatlichen Hochwasserschutzsystems. Dieses Ausbaukonzept hat sich bewährt, da neben der Hochwasserschutzfunktion auch wasserwirtschaftliche und ökologische Zielsetzungen erfüllt werden. Damit ist die Wasserkraft der einzige regenerative Energieträger, der einen bedeutenden volkswirtschaftlichen Zusatznutzen ganz besonders in Bayern leistet.
Mit der Auferlegung zusätzlicher öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen darf die Wasserkrafterzeugung aber nicht in die Unwirtschaftlichkeit getrieben werden; der Zusatznutzen sollte bei künftigen Auflagen an Betrieb und Unterhalt der Anlagen positivere Berücksichtigung finden.
Die vorstehend angeführten gemeinnützigen Aufgaben wie
- Hochwasserschutz,
- Absicherung der Flussufer,
- Erhöhung und Verstärkung von Uferschutzbauten,
- Begrenzung der fortschreitenden Sohlenerosion,
- Ausbau von Wasserstraßen und
- Beseitigung des Zivilisationsmülls,
müssen von Staat und Gesellschaft angemessen gewürdigt und deren Kosten solidarisch aufgeteilt werden.
6. Wasserkraft und Genehmigungsverfahren
Manche behördlichen Genehmigungsverfahren für die Wasserkraftnutzung sind gekennzeichnet durch einen zu hohen Prüfungsumfang und Detaillierungsgrad. Es werden zusätzlich umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt. Die Genehmigungen werden dabei regelmäßig längstens für 30 Jahre erteilt.
Für die investierenden Unternehmen bedeuten die aufwendigen behördlichen Verwaltungsverfahren einen belastenden Kosten- und Zeitfaktor. Dieser Umstand hemmt die erforderlichen Investitionen in den Ausbau der Wasserkraft. Die Verfahren sollten sich daher verstärkt an den schon oft versprochenen Zielen der Vereinfachung und Deregulierung orientieren. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der ehrgeizigen Ziele der Staatsregierung zum Ausbau der Wasserkraft.
An der Nutzung der Wasserkraft besteht grundsätzlich ein öffentliches Interesse. Sie dient damit dem Allgemeinwohl. Gerade die energiewirtschaftlichen Belange müssen im Abwägungsprozess durch Einbezug von unparteiischem Experten-Know-how im Rahmen der Genehmigung entsprechend ihrer großen Bedeutung gewürdigt werden. Angemessen zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die Höhe der getätigten Investitionen und die Länge der Amortisationszeiträume. Den hohen Kapitalrückflusszeiten geschuldet sollten Bewilligungszeiträume von mehr als 30 Jahren möglich sein. Investitionen in Neuanlagen rechnen sich betriebswirtschaftlich unter Umständen erst nach über 50 Betriebsjahren.
Der VBEW fordert von der Bayerischen Staatsregierung Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass die Erschließung der Wasserkraftpotenziale zügig vorankommt und die zuständigen Genehmigungsbehörden die einschlägigen Verfahren zielgerichtet abarbeiten können. Dabei sollte die Zielerreichung der Bayerischen Staatsregierung zum Ausbau der Wasserkraft stets im Blickfeld bleiben.
7. Wasserkraft und Wasserrahmenrichtlinie
Die bayerischen Wasserkraftunternehmen unterstützen das Ziel der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), Gewässer mit ihren Ökosystemen und Wasserressourcen zu erhalten oder ihren Zustand zu verbessern. Um den Beitrag der Wasserkraft zur Stromerzeugung in Bayern nicht zu schmälern, ist es allerdings erforderlich, die ökologischen Ziele der WRRL umsichtig umzusetzen. Die Wasserkraftbetreiber benötigen stabile, langfristig gültige Rahmenbedingungen. Unter diesen Voraussetzungen können sie auch einen bestmöglichen Beitrag zu den ökologischen Anforderungen leisten.
Bei der Aufstellung und Verfolgung der Ziele für die Umsetzung der WRRL müssen ökologische, ökonomische, energiewirtschaftliche und technische Aspekte im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgewogen berücksichtigt und umgesetzt werden. Daraus folgt insbesondere, dass Wasserkraftbetreiber nur dann zu Verbesserungen der Durchgängigkeit und Erhöhung des Mindestwasserabflusses herangezogen werden, wenn es fachlich zwingend notwendig zur Erreichung der festgelegten Bewirtschaftungsziele ist und keine ökologisch und wirtschaftlich besseren Alternativen möglich sind. Derzeit ist die WRRL inkohärent zu den europäischen Vorgaben der Energieversorgung, da nachhaltige Maßnahmen zum Klimaschutz im Abwägungsprozess bisher nicht in einem angemessenen Maßstab gewürdigt werden.
Die Wasserkraftbetreiber nehmen den gesetzlich geforderten Schutz der Fischpopulation beim Betrieb von Wasserkraftanlagen ernst. Dabei sind derzeit noch viele Fragen der Populationsbiologie der Fische im Gewässersystem und der Verhaltensbiologie an wasserbaulichen Anlagen offen. Die im VBEW organisierten Wasserkraftwerksbetreiber engagieren sich daher sehr stark in den laufenden interdisziplinären Arbeitsgruppen auf bayerischer, bundesweiter und europäischer Ebene mit dem Ziel, geeignete Maßnahmen zum nachhaltigen Schutz der Fische zu entwickeln. Die Wasserkraft ist bereit, ihren Beitrag zu leisten, wenn ein verursachergerechtes Maßnahmenpaket zum Fischschutz entwickelt wird, bei dem alle Nutzer der Gewässer ihren Beitrag leisten. Der Fokus muss auf das gesamte Gewässersystem mit seinen Habitaten und Bewirtschaftern gelegt werden und darf nicht isoliert auf die Wasserkraftanlagen eingeschränkt werden.
Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. - VBEW
Stand: 15.10.2019